Elektrostimulation in der neurologischen Physiotherapie – Chancen für mehr Beweglichkeit und weniger Spastik

Einleitung

Viele Menschen mit neurologischen Erkrankungen wie Schlaganfall oder Multipler Sklerose (MS) kämpfen im Alltag mit Muskelschwäche und Spastik.
Die Elektrostimulation kann hier eine wertvolle Ergänzung zur Physiotherapie sein.

In diesem Beitrag erfährst du:
👉 wie Elektrostimulation wirkt,
👉 und welche Ergebnisse Forschung und Praxis zeigen.

Was ist Elektrostimulation?

Unter Elektrostimulation versteht man die Behandlung mit elektrischen Impulsen, die über Elektroden auf die Haut übertragen werden.
Diese Impulse reizen Nerven oder Muskeln und können dadurch Bewegungen anregen, Muskelkraft verbessern oder Spannung reduzieren.

Wichtige Formen der Elektrostimulation:

  • TENS (Transkutane Elektrische Nervenstimulation) – vor allem zur Schmerzlinderung und Spastikbehandlung
  • NMES (Neuromuskuläre Elektrostimulation) – zur Kräftigung geschwächter Muskeln
  • FES (Funktionelle Elektrostimulation) – zur Unterstützung von Alltagsbewegungen, etwa beim Fussheben oder Greifen

Wie hilft Elektrostimulation bei neurologischen Erkrankungen?

Elektrostimulation nach Schlaganfall

Nach einem Schlaganfall sind bestimmte Muskeln häufig geschwächt oder nur schwer ansteuerbar. Studien zeigen:

  • Elektrostimulation kann Muskeln wieder aktivieren und Nervenverbindungen fördern.
  • Besonders beim Gehen und Fussheben zeigen sich deutliche Verbesserungen.
  • Die besten Ergebnisse entstehen in Kombination mit aktiver Physiotherapie.

Elektrostimulation bei Multipler Sklerose (MS)

Spastik und Muskelschwäche sind häufige Begleitsymptome bei MS.

  • FES oder NMES können helfen, den Muskeltonus zu regulieren und Bewegungen zu erleichtern.
  • Viele Patient:innen berichten, dass sich ihre Spastik nach regelmässigem Training deutlich reduziert.
  • Elektrostimulation unterstützt das Gehen, etwa bei Fussheberschwäche.
  • Wichtig: Die Wirkung ist meist zeitlich begrenzt – tägliche Anwendung ist entscheidend.

Elektrostimulation gegen Spastik

Spastik bedeutet, dass sich Muskeln unwillkürlich anspannen. Das erschwert Bewegungen und kann Schmerzen verursachen.

  • Mit Elektrostimulation lassen sich betroffene Muskeln gezielt entspannen.
  • Gleichzeitig werden Gegenspieler-Muskeln gekräftigt, was das Bewegungsgleichgewicht verbessert.
  • Studien zeigen, dass sich Spastik messbar reduzieren lässt – besonders bei Anwendungen über 30 Minuten.

Zukunftsausblick: Vagusnervstimulation (VNS)

Eine vielversprechende neue Methode ist die Vagusnervstimulation.
Der Vagusnerv steuert zahlreiche Körperfunktionen. Bei der VNS wird er entweder über ein kleines Implantat oder über äußere Reize am Ohr stimuliert.

Erste Studien zeigen:

  • In Kombination mit Physiotherapie kann VNS neuronale Verbindungen stärken und die Erholung nach Schlaganfall fördern.
  • Auch bei Parkinson könnten Symptome wie Tremor oder Schluckstörungen positiv beeinflusst werden.
  • Die VNS ist jedoch noch ein junges Forschungsfeld – derzeit vor allem in Studien verfügbar.

Vorteile der Elektrostimulation

✅ Unterstützt die Bewegungsfähigkeit und erleichtert Alltagstätigkeiten
✅ Reduziert Spastik und Schmerzen
✅ Fördert das Gefühl, aktiv am Therapieerfolg mitzuwirken
✅ Kann Motivation und Selbstwirksamkeit stärken

Grenzen und Sicherheit

⚠️ Elektrostimulation ersetzt keine aktive Bewegungstherapie, sondern ergänzt sie.
❌ Nicht geeignet bei Herzschrittmachern oder offenen Hautstellen.
📖 Hinweise zu Kontraindikationen und Sicherheit finden sich in der Geräteanleitung.

Patientenbeispiel: Maria (Name geändert) und die funktionelle Elektrostimulation

Maria lebt mit Multipler Sklerose. Laut MRT zeigen sich Läsionen im Gehirn und Rückenmark.
Sie berichtete, dass sie beim Gehen zunehmend schwächer wird und häufiger stolpert. Früher konnte sie 20–30 Minuten laufen, heute nur noch etwa 10 Minuten. Besonders der rechte Fuss schleift über den Boden.

Erste Tests (Assessments)

  • Fussheber rechts: nur minimales Zucken, keine aktive Bewegung
  • Kniestrecker rechts: Kraftgrad 2/5
  • Hüft- & Kniebeuger: Kraftgrad 3/5
  • 6-Minuten-Gehtest: 128 m mit mehreren Pausen
  • 10-Meter-Gehtest: 15 s = 0,62 m/s (zu langsam für eine Ampelphase)

Therapie mit funktioneller Elektrostimulation (FES)

Nach der Befundung starteten wir FES für Fussheber und Kniestrecker. Maria war begeistert, als sich der Fuß erstmals wieder aktiv bewegte.
Mit ihrem eigenen TENS/EMS-Gerät trainierte sie täglich. Wir stellten gemeinsam die richtigen Parameter ein und dokumentierten die Elektrodenplatzierung per Video.

Ergebnisse nach 6 Wochen

  • Fussheber: Verbesserung von 1/5 auf 3/5
  • Kniestrecker: von 2/5 auf 3/5
  • Gehgeschwindigkeit: +5 Sekunden schneller im 10-m-Test
  • 6-Minuten-Gehtest: +68 Meter

Ein eindrucksvolles Beispiel, wie regelmäßige Elektrostimulation in Kombination mit aktiver Therapie zu spürbaren Fortschritten führt.

Fazit: Elektrostimulation als Schlüssel zu mehr Mobilität

Elektrostimulation kann eine effektive Ergänzung in der neurologischen Physiotherapie sein.
Sie unterstützt Muskelfunktion, Beweglichkeit und Spastikreduktion – besonders bei Schlaganfall und MS.
Neue Ansätze wie die Vagusnervstimulation zeigen, dass die Zukunft der Rehabilitation immer zielgerichteter und neurophysiologisch fundierter wird.

👉 Dein nächster Schritt

Wenn du oder jemand in deinem Umfeld von einer neurologischen Erkrankung betroffen ist, sprich mit deiner Physiotherapeutin oder deinem Arzt über die Möglichkeiten der Elektrostimulation.
Die richtige Kombination aus aktiver Bewegung, Motivation und gezielter Stimulation kann den entscheidenden Unterschied machen.

Inhalt

Über mich
Hallo, ich bin Wiebke!

Ich begleite Menschen mit neurologischen Erkrankungen wie MS, Schlaganfall oder Parkinson dort, wo es am meisten zählt: in ihrem Alltag. Für mehr Selbstständigkeit, Lebensqualität und Hoffnung.

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